Schon seit einer Weile leben wir in schwierigen und unsicheren Zeiten, die Teuerung kommt nun noch dazu. Was heisst das für Alleinerziehende, die bei uns Unterstützung suchen?
Alleinerziehende, es sind vorwiegend Mütter, die in die Sozialberatung der Arche Für Familie kommen, haben meist eine bewegte Biografie. Traumata aus der Vergangenheit, gesundheitliche Leiden, Brüche in Bildung und Ausbildung sind Beispiele, die ihr Leben kennzeichnen. Die Verantwortung für die Kinder tragen sie meist ganz alleine. Es gibt Väter, die können aus verschiedensten Gründen nicht am Familienleben teilnehmen, weder finanziell noch mit Anwesenheit. Wie schaffen es diese Mütter für den Lebensunterhalt der Familie aufzukommen? Die Sozialarbeiterin Florence Leisibach trifft auf unterschiedliche Familiensituationen. Aufgrund der oft fehlenden Grundausbildung sei es für die Frauen schwierig, eine gute Anstellung zu erhalten und sie arbeiten deshalb in sogenannten prekären Arbeitsverhältnissen. Sie gehen also Beschäftigungen nach mit geringem Lohn, ohne soziale Absicherung und mit ungewisser Zukunft. Das heisst, sie haben Jobs im Stundenlohn, also Arbeit auf Abruf, um die 17 Franken. Sie gehören damit zu den Working Poors. Ein Fachbegriff, der besagt, dass trotz Erwerbstätigkeit das Einkommen nicht für die Deckung der Grundbedürfnisse reicht.
Möglichst das Existenzminimum erreichen
«Was möglich ist, gleisen wir gemeinsam mit den Klientinnen auf», erklärt die Sozialarbeiterin Florence Leisibach. Budgetberatung oder das Beantragen von Prämienverbilligungen beispielsweise. Oder es werden Angebote, die es für ein günstiges Leben gibt, besprochen. Bei einem Budget, bei dem es aber grundsätzlich und längerfristig zu wenig Einnahmen gibt, um die Ausgaben für den Grundbedarf zu decken, kann die Arche diese finanzielle Lücke nicht auffüllen. «Wir können mit unseren Angeboten für die betroffenen Mütter und Kinder Unterstützung anbieten, indem sie zum Beispiel am Mittwochstreff Zugehörigkeit erfahren oder in der zuständigen Bezugsperson eine kontinuierliche Ansprechperson finden.» Beliebt ist auch die Arche-Kleiderbörse, die zweimal monatlich geöffnet ist. Die Mütter dürfen Kleider und Kinderzubehör hier kostenlos beziehen. Und es gibt die Möglichkeit, in Notsituationen einmalige Beträge aus einem Fonds zu sprechen. Wenn ein Anspruch auf Sozialhilfe besteht, werden die Mütter auf diesem Weg begleitet. Aber nicht alle möchten Sozialhilfe beziehen. Wer Angst hat, dass deshalb eine Aufenthaltsbewilligung nicht verlängert wird, geht nicht aufs Sozialamt. Hier gilt es, eine begleitete Triage an Fachstellen zu machen, die rechtliche Kompetenzen haben und die individuelle Situation jeder Familie in Bezug auf ihren Aufenthaltsstatus beurteilen können.
«Wir können Unterstützung anbieten, indem die Familien zum Beispiel in der zuständigen Bezugsperson eine kontinuierliche Ansprechperson finden.»
Die weitere Reduktion werden sie im Portemonnaie deutlich spüren
Aktuell sind Auswirkungen der Teuerung noch nicht so deutlich erkennbar. Aber es ist klar, dass diese kommen werden. Alle Familien, die bei uns in der Sozialberatung sind, werden es als weitere Reduktion in ihrem Portemonnaie deutlich spüren. Ganz sicher zu erwarten ist, dass es für Familien, die am oder unter dem Existenzminimum leben und keine Sozialhilfe beziehen, nochmal massiv prekärer wird. Wer Sozialhilfe bezieht, kann darauf hoffen, dass steigende Nebenkosten wie Strom, übernommen werden. Aber auch für sie wird der Lebensunterhalt teurer. Es ist nicht zu erwarten, dass das ausgezahlte Geld für den Grundbedarf, womit die teurer werdenden Lebensmittel gezahlt werden müssen, zeitnah angehoben wird.
Sie wollen eine gute Mutter sein
Trotz aller Schwierigkeiten möchte eine Mutter eine gute Mutter sein. Dass Schuldgefühle aufkommen können, weil man das, was man als «gut» versteht, nicht erreichen kann, liegt auf der Hand. «Wenn eine Mutter arbeiten gehen und ihr Kind fünf Tage in die Kita geben muss, versuchen wir, sie in ihrer Situation zu stärken. Wir sprechen gemeinsam über ihre Bedenken und unterstützen sie.» Florence Leisibach erläutert: «Es ist selbstverständlich nicht so ist, dass man nur dann eine gute Mutter ist, wenn man möglichst viel Zeit mit den Kindern verbringt. Wir denken gemeinsam darüber nach, worin die Qualität liegt, die es für eine gute Beziehung und Entwicklung braucht und nehmen die Mütter sehr ernst in ihren Bedenken.»
Aber was heisst denn eigentlich: keine gute Mutter sein? Woher kommt ein solches Schuldgefühl? Hat dies ausschliesslich mit persönlichen Gewichtungen zu tun? Oder spielen hier auch Erwartungen von aussen eine Rolle? Welche Werte gibt unser System vor? Was macht es mit uns, wenn Frauen es sind, die mehrheitlich und unentgeltlich Care-Arbeit leisten? Wenn die Betreuungsarbeit vorwiegend als weiblich gesehen wird? Wenn die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt, beispielsweise bezüglich Verfügbarkeit, dem Alltag mit Kindern entgegensteht? Welche Erwartungen werden damit an Frauen gebunden? Es passiert ganz oft, dass ein Problem, dessen Ursprung in gesellschaftlichen Strukturen liegt, individualisiert wird. So auch hier. Dass Alleinerziehende vorwiegend Mütter sind und ihre Situation meist überfordernd sein kann, hat viel mit den gesellschaftlichen Strukturen zu tun.
Entlastungen schaffen
In Beratungen mit den Müttern ist es wichtig, hierzu ein Bewusstsein zu schaffen. Und auch kritisch zu hinterfragen, wenn sie alle sieben Sachen unter einen Hut bringen wollen und merken, dass dies nicht zu schaffen ist. Zu hinterfragen, ob sie damit einer vermeintlichen Erwartung entsprechen möchten oder es ihnen persönlich sehr am Herzen liegt. Denn eine alleinerziehende Mutter muss zwangsläufig Abstriche machen können. Einen Elternbesuchsmorgen in der Schule wahrnehmen und gleichzeitig arbeiten, das geht nicht. Gerade bei Themen wie Schule, Ausbildung oder Freizeit kann eine Inanspruchnahme von freiwilligen «Göttis» oder «Gottis» Entlastung schaffen, was auch gerne angenommen wird. Als weitere wertvolle Entlastung empfinden die Mütter das Gespräch mit anderen Müttern, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. In den verschiedenen Treffpunkten der Arche Für Familie können sie sich austauschen. Können erfahren, wie es anderen geht, alleinerziehend, mit dem teurer werdenden Lebensunterhalt.