Die soziale Situation von Menschen in einer Suchtbehandlung hat sich in den letzten Jahren stark verschlechtert. Auch in der täglichen Arbeit in den Betrieben der Arche Zürich ist das spürbar.
Wenn man so will, kann die Arche Zürich liebevoll als Gemischtwarenladen bezeichnet werden. In den sehr eigenständigen Angeboten der acht Betriebe, jeweils mit unterschiedlichen Handlungsaufträgen und Herausforderungen, gibt es aber dennoch Themen, die untereinander verbinden. Eines davon ist die Soziale Arbeit mit und für die unterschiedlich belasteten Menschen, die in der Arche Zürich soziale und therapeutische Hilfe suchen und erhalten.
Stärkung der Sozialen Arbeit
Mitte April 2025 haben sich Mitarbeiter:innen der Arche Zürich mit dem Thema der sozialen Dimension in der Suchthilfe auseinandergesetzt. Eine betriebsübergreifende Fachgruppe rund um Bea Rüegg, Teamleiterin der Arche Beratung soziale Integration, hat nach einiger Vorarbeit zu diesem Anlass eingeladen. Schliesslich haben sich rund vierzig Teilnehmer:innen im Volkshaus Zürich zusammengefunden und vernetzt, um gemeinsam Wege zu besprechen, wie mit Sozialer Arbeit zu einer Stärkung der sozialen Dimension in der Suchthilfe beigetragen werden kann.
Der halbtägige Schwerpunkt startete mit einem wissenschaftlichen Inputreferat von Irene Abderhalden und Peter Sommerfeld, auf deren Grundlagenarbeit im Januar 2024 breit abgestützte Empfehlungen für die Soziale Arbeit in der Suchthilfe und -prävention vorgelegt wurden. Neben Grundlagenvermittlung und methodischen Hilfestellungen für eine strukturiertere Erfassung anhand eines Lebensführungssystems, ging es vor allem auch darum, das eigene Selbstverständnis für die alltäglich geleistete Soziale Arbeit zu stärken, um als gleichberechtigter Teil eines Behandlungsteams die soziale Perspektive einnehmen und vertreten zu können. «Wir sind zuständig für die soziale Dimension», betont Irene Abderhalden vor versammeltem Plenum. Und es gelte, diese Perspektive in der Praxis auch immer wieder und möglichst klar und verständlich sichtbar zu machen.
Lebensführung erschwert
Die soziale Situation von Menschen in der Suchtbehandlung hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert. Die Gründe dafür sind vielfältig. Bildungsungleichheiten zementieren sich, es kommt vermehrt zu instabilen Wohnverhältnissen, die Arbeitslosigkeit ist hoch und auch die gesellschaftliche Isolation. Dies führt wiederum zu Selbstabwertung; dies alles beeinflusst die Leben der betroffenen Personen neben den Drogen zusätzlich negativ. Für Peter Sommerfeld liegt hier ein zentraler Punkt: «Wie nehmen wir Einfluss auf diese ungünstigen Lebensbedingungen? Oder umgekehrt formuliert: Wie beeinflussen wir die Lebensbedingungen in positiver Weise?» Die Frage nach der Ermöglichung einer selbstbestimmten Lebensführung durch gesellschaftliche Teilhabe liegt dabei im Zentrum. Dies sei auch aus politischer Sicht unbedingt lohnend, um den prekären Alltag der suchtkranken Menschen in den Blick zu bringen und somit auch Drehtüreffekte und Mehrspurigkeiten zu vermeiden. Irene Abderhalden betont, dass sich das auch aus volkswirtschaftlicher Sicht lohnen würde.
Der Nachmittag bot Gelegenheit, ein gemeinsames Verständnis für die Lebensbereiche eines Menschen zu entwickeln. Im Kern geht es immer um das Individuum in seiner Lebenswelt. Und um ein Sozial- und Gesundheitssystem, das den Menschen als bio-psycho-soziales Wesen versteht und diesen drei Faktoren auch gleichmässige Beachtung schenken sollte. Erreicht werden kann dies auch über eine klare und möglichst prägnante Sozialdiagnostik und natürlich über die Arbeit mit den Klient:innen in ihrem Alltagsleben.
Reger Austausch
Im zweiten Teil des Nachmittags hat das Archeteam in vier Gruppen, die jeweils von ihren Arbeitsfeldern und Betrieben her bunt gemischt waren, intensiv miteinander diskutiert, welche Empfehlungen in der Arche angewendet werden, wie interdisziplinäre Zusammenarbeit besser gestaltet werden könnte oder welche Justierungen sinnvoll wären in der täglichen Arbeit. Die Gespräche wurden rege geführt und in einem gemeinsamen Schlussteil haben sich alle Gruppen gegenseitig die wichtigsten Erkenntnisse ihres Austauschs mitgeteilt. Irene Abderhalden betonte nochmals die Wichtigkeit der Arbeit, die die Mitarbeiter:innen der Arche Zürich tagtäglich mit den Menschen in ihren sozialen Umfeldern leisten. «Die Arche füllt Lücken», sagte sie zum Abschluss der Veranstaltung.
Solch ein betriebsübergreifendes Austauschformat ist für die Arche Zürich nicht alltäglich. Es war eindrücklich zu erleben, wie die verschiedenen Erfahrungen und Ideen interessiert angehört, ausgetauscht und besprochen wurden. Die Projektgruppe arbeitet weiter daran, die wertvollen Theorieüberlegungen in die Praxis einfliessen zu lassen. Die Reaktionen der Teilnehmer:innen waren durchwegs positiv und es wird wohl in Zukunft vermehrt solche Zusammenarbeiten geben, weil sie enorm bereichernd sind.