Menschen, deren Haftstrafe in eine stationäre Massnahme umgewandelt wird, werden von einem Bewährungshelfer der Vollzugsdienste an Institutionen wie der Arche Therapie Bülach vermittelt. Einer dieser Zuweisenden ist Thomas Jud, der in dieser Funktion Klient:innen mit Suchtproblemen während der gerichtlich angeordneten Sanktionen begleitet.
Was sich auf der Webseite trocken liest – Bewährungshilfe, Weisungskontrollen sowie Durchführen und Begleiten von ambulanten und stationären Massnahmen – braucht in der Umsetzung viel Fingerspitzengefühl und Menschenkenntnis. Immerhin geht es darum, straffällig gewordene Personen durch die richterlich oder staatsanwaltschaftlich angeordnete Sanktion zu begleiten und dafür die am besten geeignete Institution für den Vollzug zu finden. Thomas Jud kennt die Arche Therapie Bülach seit 2010. In diesen zwölf Jahren der Zusammenarbeit hat sich seitens der Arche viel verändert, wie er im Interview erzählt: «Sie hat einen grossen Wandel erlebt, seit ich das erste Mal vor Ort eine Standortbestimmung durchgeführt habe. Den neuen Betriebsleiter Felix Fleischli kenne ich von früher, wir haben mehrere Jahre zusammengearbeitet, er hat gute Ideen und den nötigen Drive.»
Was schätzen Sie an der Arche Therapie Bülach besonders?
«Einer der hervorstechenden Vorzüge der Arche Therapie Bülach ist sicher ihre Grösse. Sie ist optimal für Klient:innen, die in einer grossen Gruppe überhört oder vergessen würden. In Bülach kennt man jede:n in der Gruppe, es wird auf die Bedürfnisse eingegangen, alles ist familiär. Das Team der Arche ist bereit, individuelle Settings durchzuführen, das schätze ich sehr. Gut geeignet ist der Ort auch für jene, die aufgrund ihrer Suchtvergangenheit nicht mehr zu 100 Prozent arbeitsfähig sind. Ausserdem ist die Lage optimal, weg von Zürich, die Langstrasse nicht in fünf Minuten erreichbar. Ein weiterer Vorteil ist die gute Zusammenarbeit mit externen Fachleuten, wie der Fachstelle für Abhängigkeitserkrankungen Bezirk Bülach (fabb). »
Wie viele Klient:innen, die Sie zugewiesen haben, befinden sich aktuell in Bülach im Vollzug?
«Im Moment sind es vier, zwei davon im Wohn- und Arbeitsexternat und zwei sind stationär untergebracht.»
Stehen Sie mit diesen Personen in regelmässigem Kontakt?
«Grundsätzlich schon, auch wenn Corona die Situation etwas erschwert hatte. Im Schnitt – und unter normalen Umständen – wird zwei- bis dreimal jährlich eine Standortbestimmung vor Ort durchgeführt. Darauf legen wir Wert, um einen umfassenden Eindruck der zugewiesenen Institution zu erhalten, um die Stimmung und den Umgang der Mitarbeitenden untereinander wahrzunehmen. In Krisensituationen wird die Zahl dieser Treffen erhöht.»
Wie ist das Feedback Ihrer Klient:innen zur Arche Therapie Bülach?
«Das hängt von der Person ab. Aktuell betreue ich einen einzigen Klienten persönlich. Bei ihm beschleicht mich so das Gefühl, dass er sich sehr wohl fühlt und nicht mehr weg möchte; er hat sich etwas eingenistet. Er sollte sich langsam auf ein Leben ausserhalb der Arche vorbereiten ...
Aber es gibt auch die anderen, die einmal pro Woche anrufen und sich über alles Mögliche beklagen. Es ist von Mensch zu Mensch verschieden.»
Sie haben bereits erwähnt, dass Sie gerne zurückgezogene Menschen nach Bülach platzieren, weil dort auf ihre Bedürfnisse optimal eingegangen wird. Gibt es dazu noch mehr zu erzählen?
«Primär sicher solche mit einer Suchtproblematik. Wir haben immer wieder mit Komorbiditäten zu tun, das heisst, Personen mit schwerer Suchtkrankheit und anderen psychischen Erkrankungen, die zur Delinquenz geführt haben. Wichtig ist, dass keine schweren Delikte vorliegen. In diesen Fällen wird die Arche eventuell für den letzten Teil des Vollzugs gewählt, zum Beispiel nach einigen Jahren in einer anderen Institution verbringt der:die Klient:in das letzte Jahr in Bülach; jedoch immer im Zusammenhang mit Sucht- und nicht in Verbindung mit schweren Gewaltdelikten.»
Können Sie etwas über die Rückfallquote im Zusammenhang mit einem Aufenthalt in der Arche Therapie Bülach erzählen, gibt es da Rückschlüsse?
«Nein, das lässt sich nicht generell feststellen. Der entscheidende Punkt ist, dass wir als Behörde den Menschen dem optimalen Ort zuweisen und die angeordnete Therapie gut verläuft. Dann haben wir gute Chancen, dass es keine erneute Delinquenz gibt. Für die eine Person kann es die Arche sein, für eine andere ist es eine weitere Institution, die zum Erfolg führt. Daher ist es entscheidend, dass wir die jeweiligen Möglichkeiten, die Settings, die Therapien gut kennen. Es ist zudem wichtig, dass die Institutionen sich untereinander kennen und so fair sind, jemanden umzuplatzieren, wenn es nicht passt. Sie sind viel näher am Menschen – er lebt, lacht, weint und arbeitet bei ihnen, ich kenne seine Akte und sehe ihn vielleicht drei- oder viermal im Jahr.»
Die Arche Therapie Bülach bedankt sich bei Thomas Jud für das Gespräch und bei den Bewährungs- und Vollzugsdiensten des Kantons Zürich für die gute Zusammenarbeit.