Warum «müssen» Menschen in schwierigen Lebenssituationen denn auch noch Tiere haben? Geht das überhaupt? «Die» schauen ihren Haustieren sicher nicht richtig! Dieses und andere Vorurteile werden in der nachfolgenden Geschichte gründlich widerlegt.
Im Arche Betreuten Wohnen sind Haustiere erlaubt, ja, sie sind sogar willkommen! Die Gründe und Auswirkungen bilden den zweiten Teil der Geschichte – zuerst erklärt mir Annatina Stahel, Sozialpädagogin HF, die Rahmenbedingungen, die erfüllt werden müssen, damit Bewohnende ein Haustier halten dürfen. So muss das Tier regelmässig durch einen Tierarzt untersucht und geimpft werden, der Halter/die Halterin muss für sämtliche anfallenden Kosten aufkommen können (Tierarzt, Futter, Ausstattung, ...) und es muss garantiert sein, dass beispielsweise mit einem Hund täglich ausgedehnte Spaziergänge unternommen werden (mind. 1.5 Std./Tag) – und natürlich müssen die gesetzlichen Vorgaben betreffend Erziehung erfüllt werden (Hund). Der Tierhalter unterschreibt eine entsprechende Regelung - erst dann darf ein tierischer Freund einziehen.
Nach dieser theoretischen Einführung lerne ich Nala kennen – und natürlich ihre beiden Menschen Nora* und Rolf*. Ich darf die hübsche Wohnung mit den beiden kleinen Balkonen sehen, Nala zeigt mir stolz ihr Zuhause. Danach gehen wir alle in den sonnigen Garten, wo mir die beiden ihre Geschichte erzählen. Nala ist eine fünfjährige Parson-Russel-Terrier-Dame. Dass man Terriern nachsagt, sie seien etwas stur und dickköpfig, können mir ihre Besitzerin und ihr Besitzer unumwunden bestätigen. Aber sie sei eben auch extrem herzig und charmant, was absolut zutrifft!
Die hübsche Terrierdame Nala ist der Mittelpunkt im Leben ihrer Menschen – und geniesst es sichtlich!
Nora hatte vorher schon eine Hündin namens Kisha. Als diese verstarb, war für das Paar klar, dass sie wieder einen Hund haben wollten.
So ist Nala mit einigen Monaten im Wohnhaus Waid eingezogen. Ausführlich erzählen mir Nora und Rolf von ihren Erlebnissen mit dem Hund. Geschichten, die sie zu dritt erleben aber auch viele Geschichten von Begegnungen mit anderen Hundehalter/-innen. Aus diesen Begegnungen sind schon mehrfach gute Gespräche mit Fremden entstanden – Vorurteile gegenüber sich hätten sie in diesem Umfeld noch nie erlebt. Sie haben ihren Hund nicht schlechter oder besser «im Griff» als andere Hundebesitzer/-innen. Mit einer Frau hat sich eine Freundschaft entwickelt – sie hat ein Auto und ist damit mobil. So unternehmen sie manchmal Ausflüge zu dritt mit den Hunden, damit sie auch mal woanders spazieren können. Sie treffen sich immer wieder und besuchen sich auch zuhause um z. B gemeinsam zu essen.
Nichts entgeht dem wachsamen Blick, mit dem Nala das Wohnhaus Waid im «Griff» hat …
Aus einer anderen Spazier-Bekanntschaft hat sich ebenfalls eine Freundschaft ergeben, deren Hund sie regelmässig hüten. Diese beiden Frauen sind die einzigen, denen sie ihre Geschichte erzählt haben – bei allen andern weichen sie Fragen zu Geschichte, Wohnort und Beruf eher aus.
Trotzdem, Rolf und Nora betonen, wie wichtig solche Freund- und Bekanntschaften ausserhalb der Arche für sie sind. Ohne Hund wären sie kaum zustande gekommen!
Was gibt ein Hund (oder generell ein Tier) Menschen in Lebensumständen wie Rolf und Nora? Sie sagen, Nala sei der Mittelpunkt ihres Lebens. Der Grundgedanke des Vaters von Rolf, der den beiden Nala geschenkt hat, sei gewesen, dass mit einem Hund und den einhergehenden Verpflichtungen eine fixe Struktur ins Leben des Paares komme. Ein Volltreffer ins Schwarze – da sind sie sich einig und lachen! Nala bestimmt den Tagesablauf, gibt aber auch enorm viel Zuneigung. Nora steht täglich sehr früh auf – um sieben Uhr steht dann die vierbeinige Prinzessin auf und gedenkt zu frühstücken. Danach machen sich die beiden Damen auf den Weg in Richtung Limmat. Von dort kehren sie nach drei, vier oder sogar fünf Stunden wieder zurück. Spazieren, spielen, schnuppern, sitzen und schwatzen ist das ausgedehnte Tagesprogramm. Nur nicht am Mittwoch, da ist Rolf dran mit Spazieren. An diesem Tag geht Nora einkaufen, putzt in der Wohnung und kocht ein ausgiebiges Mittagessen. Sie betont, dass sie auch sonst kocht, aber dann etwas schnelleres. An jenen Tagen, an denen Nora mit Nala unterwegs ist, ist Rolf für den Haushalt zuständig.
Diese Arbeitsteilung ist wichtig für die beiden – sie betonen, dass sie sehr gut funktionieren und harmonieren zusammen. Gibt es Spannungen in der Beziehung, ist Nala zur Stelle und «vermittelt», bis sich die beiden wieder vertragen wie gewohnt.
Auch innerhalb des Wohnhauses Waid ist Nala gerne gesehen und bereitet Freude, wenn sie im Haus oder den Gemeinschaftsräumen unterwegs ist. Seit Nala ruhiger geworden ist, sind auch die letzten Skeptiker vom liebenswerten Wesen der Hundedame überzeugt. Mehr Konfliktpotenzial als innerhalb der Bewohnenden gibt es ausserhalb mit der Nachbarschaft. Nicht aufgrund von Nala, aber halt allgemein, wie die Sozialpädagogin einwirft. Fällt im Quartier etwas vor oder sei es mal lauter als gewohnt, sei es halt schnell das «Betreute Wohnen» gewesen. Man müsse schon ab und zu mit Vorurteilen kämpfen. Ein einziges Mal, als Nala noch klein war, sei an einem Sonntag die Polizei gekommen, weil Nala gebellt hatte. Da baten Nora und Rolf die Beamten in die Wohnung, damit sie sich überzeugen konnten, dass alles in bester Ordnung war. So seien es auch – wenn überhaupt – Leute im Quartier, die Vorbehalte gegen Nora, Rolf und Nala hätten, weil diese wüssten, wo die drei wohnhaft sind. Zum Tag der offenen Tür sei nicht ein einziger Nachbar vorbeigekommen ... bemerkt Rolf etwas enttäuscht. Menschen, denen sie auf ihren Spaziergängen unterwegs begegnen, wüssten ja nicht, was für eine Geschichte sie haben und begegnen ihnen neutral und freundlich.
Und schon erzählen sie mir wieder von Nala. Was sie alles kann, was weniger, über kleine Unzulänglichkeiten und es wird sogar darüber sinniert, was man in der Erziehung hätte besser machen können, was vielleicht versäumt wurde und was toll klappt. Und welches wohl die beste Belohnung für Erfolge ist – grosse Einigkeit für le Parfait aus der Tube.
Nala findet, es sei langsam genug geredet worden und es wäre an der Zeit, dass ihr wieder etwas mehr Beachtung zuteil würde!
Eine Begegnung mit liebenswerten Menschen, die für ihren Hund alles tun würden und ihm das bestmögliche Zuhause bieten. Zufrieden und um eine eindrückliche Geschichte reicher, gehe ich mit meinem Hund auf einen langen Waldspaziergang und denke über die Fügungen des Lebens, Vorurteile und Freundschaften nach.