Aktuelles aus der Arche Zürich

«Mein Stück Glück» – Meine Arbeit im Arche Online-Brocki

Geschrieben von Marianne Burgener | 22.01.2024

Suchst du einen Platz für deine Rückkehr in den Arbeitsmarkt? Melde dich bei uns! Aufbautraining und Arbeitsversuch sind kein Abstellgleis, sie können der Anfang von etwas Neuem und Spannendem sein – wie die Geschichte von Timo zeigt.   

Timo* sitzt an seinem Schreibtisch – um ihn herum auf Regalen wunderbare oder skurrile Dinge, die darauf warten, fotografiert, mit Informationen und einem Preis versehen ins «Arche Online Brocki» auf Ricardo zum Verkauf gestellt werden. Ähnlich der asiatischen Messingfigur, den zwei Deko-Hirschen oder dem filigranen Teegeschirr hat auch er seine Chance gepackt und ist vor über zwei Jahren in der Arche in sein neues Arbeitsleben gestartet. 
Anfang Januar 2021 trat Timo nach einer unheimlichen Viruserkrankung, die den Finanzfachmann von einem Tag auf den anderen komplett aus der Bahn geworfen hatte, seinen auf sechs Monate befristeten Arbeitsversuch im neu gegründeten Online-Brocki an. Ob er es schaffen würde, war mehr als ungewiss: Davor verbrachte er fast fünf Monate in Spital und Reha, musste wieder gehen lernen und die Lücken im Wortschatz zu schliessen, um sich wieder so gekonnt ausdrücken zu können, wie vor der Krankheit. «Es war ein mehr als einschneidendes und beängstigendes Erlebnis. Es blieb mir nur, mit der Diagnose umzugehen, das Beste aus der Situation zu machen und vorwärtszuschauen.» 

Am Anfang der Rückkehr standen Arbeitsversuche

Nach dem Aufenthalt in der Reha-Klinik folgte im Rahmen der Invaliden-Versicherung (IV) ein dreimonatiges Belastbarkeitstraining und ein anschliessendes Arbeitstraining von neun Monaten – beides IV-Massnahmen, die Timo allerdings nicht in der Arche durchführte. Den Weg an die Hohlstrasse fand er auf eigene Initiative, weil er für sich etwas suchte, wo er seine kreative Seite ausleben konnte; er bewarb sich «blind» für einen weiteren Arbeitsversuch und wurde für sechs Monate angenommen. Timo sagt von sich selbst, dass er einen grossen Willen an den Tag gelegt habe, wieder zurückzufinden: «Ich wollte unbedingt wieder ein Teil der Gesellschaft sein – auch mit der eingeschränkten Gesundheit, auf die ich nun stets Acht geben muss und mich nicht überfordern darf.» Als nach sechs Monaten sein Aufenthalt in der Arche enden sollte, setzte er alle Hebel in Bewegung, damit er bleiben konnte. Die Arbeit gefiel ihm, machte grossen Spass und er fühlte sich im Team aufgehoben; trotzdem musste er nach Ablauf der Frist sein Büro räumen, um Platz für eine neue Person im Rahmen einer sozialen und beruflichen Integrationsmassnahme der IV zu schaffen. Zu seinem grossen Glück spielte ihm der Zufall in die Hände: Aufgrund einiger Veränderungen im Team erhielt er das Angebot, zuerst befristet, dann fest ins Online-Brocki einzutreten – eine Chance, die er gepackt hat!
Das Gespür für Trouvaillen hatte Timo schon vor seiner Tätigkeit in der Arche. In seiner Freizeit pflegte er oft durch Brockenhäuser zu streifen und nach speziellen Stücken zu stöbern, die auf ein neues Zuhause warteten. Heute liebt er es, im Wareneingang die vom dortigen Team vorsortierten Gegenstände auf Herz und Nieren zu prüfen, sie zu schätzen und ihre Geschichte im Internet zu recherchieren. Er oder seine Kolleg:innen fotografieren die Fundstücke anschliessend von allen Seiten und stellen sie zum Ersteigern oder Direktkauf online. Ist ein Produkt aufgeschaltet, können dazu Fragen per Mail eintreffen, die beantwortet werden müssen; oder Kund:innen erscheinen persönlich im Brockenhaus und wünschen eine Besichtigung – ebenfalls Aufgaben von Timo. Ist ein Artikel verkauft, muss er oft für den Postversand verpackt werden, ein bisweilen schwieriges Unterfangen, handelt es sich doch nicht selten um zerbrechliche Waren aus Glas- oder Porzellan. Ebenfalls Teil des Prozesses ist die Kontrolle der Zahlungseingänge.

«Viele kleine Schritte führen zum Erfolg, man muss sehr geduldig sein.»

Zusammen mit seiner Vorgesetzten unterstützt Timo mittlerweile andere bei ihrer Wiedereingliederung in den ersten oder zweiten Arbeitsmarkt. Er kontrolliert ihre Recherchearbeit, feilt an den Texten mit ihnen, führt sie in die Arbeitsweise ein und steht mit Rat und Tat zur Seite. Andere auf ihrem Weg begleiten zu können, erfüllt Timo mit grosser Zufriedenheit. Er besucht zurzeit einen Einführungskurs als Arbeitsagoge – eine Ausbildung in diesem Bereich kann er sich sehr gut vorstellen. 
Seine Arbeit bedeutet ihm sehr viel, wie er betont: «Ich verspüre grosse Freude. Einerseits die Freude an der Arbeit mit Menschen und Dingen, dass ich mithelfen durfte, etwas Neues von Anfang an mitaufzubauen aber auch Freude darüber, wie ich mich einbringen konnte und mich weiterentwickelt habe.» Kein Tag sei wie der andere, die Arbeit sei kreativ und mache grossen Spass. Als selbst Betroffener, der sich zurück gekämpft hat, ist es wichtig, dass er mit seinem Wissen nun anderen helfen kann, die heute dort stehen, wo er vor zweieinhalb Jahren war. Sein Tipp an Betroffene: «Man darf den Glauben an sich selbst nie verlieren! Man muss seine Stärken erkennen und darauf bauen. Ein Arbeitsversuch ist eine wunderbare Chance, sein bisheriges Leben in eine neue Richtung zu lenken, aber man muss auch selbst aktiv sein. Ich hätte nie gedacht, dass ich es von meiner Vergangenheit in der Finanzbranche einmal in den Sozialbereich schaffen würde.» 
Wichtig sei es, sich bei gesundheitlichen Schwierigkeiten sofort mit der IV in Verbindung zu setzen, damit Massnahmen zur Wiedereingliederung möglichst zeitnah besprochen und geplant werden können. Die Arche ist mit Job-Coaching, Arbeitsplätzen für Aufbautraining und befristete Arbeitsversuche und Bereichen ein verlässlicher Partner für Zuweisende und Klient:innen. Menschen, die durch unvorhersehbare Ereignisse aus ihrem Berufsleben gerissen werden, stehen weder auf dem Abstellgleis noch in einer Sackgasse – sondern am Anfang von etwas Neuem, das sich sogar als Glück entpuppen kann. 

* Name zum Schutz der Privatsphäre geändert.


Die Arche Zürich bietet in ihren Betrieben IV-Integrationsmassnahmen an; sie sind weder Abstellgleis noch Sackgasse, sondern können der Anfang von etwas Neuem sein.